Gewichteter gleitender Durchschnitt I Berechnung und Strategie

Ein gewichteter gleitender Durchschnitt wird immer aus einer genau festgelegten Anzahl an Werten berechnet. Beispielsweise werden zur Berechnung des 10 Tage Durchschnitts nur die Kurse der letzten 10 Tage betrachtet. Anders als beim einfachen gleitenden Durchschnitt (SMA) werden die einzelnen Tage bei der Berechnung des gewichteten gleitenden Durchschnitts aber unterschiedlich stark gewichtet. Je näher ein Tag am aktuellen Kurs liegt, desto größer ist sein Anteil am berechneten Durchschnitt.

Der Verlauf des gewichteten gleitenden Durchschnitts wird häufig als Linie in den Kurschart eines Wertpapiers eingetragen und wird in der Chartanalyse eingesetzt.

Im Englischen wird der gewichtete gleitende Durchschnitt als Weighted Moving Average (WMA) bezeichnet. Der gewichtete Durchschnitt wird daher auch als WMA abgekürzt. Befindet sich hinter der Abkürzung WMA eine Zahl, zeigt dies an, wie viele Tage zur Berechnung des Durchschnitts verwendet wurden. Der 10 Tage Durchschnitt wird also als WMA 10 abgekürzt.

Inhalt


Einführung

Berechnung des gewichteten gleitenden Durchschnitts

Beispiel für Berechnung

Unterschied zwischen WMA und SMA

Einsatz des gewichteten gleitenden Durchschnitts im Trading


Einführung


Der am leichtesten zu berechnende Durchschnitt ist der einfache gleitende Durchschnitt (SMA). Zur Berechnung dieses Durchschnitts wird einfach das arithmetische Mittel der betrachteten Datenmenge gebildet. Möchte man beispielsweise für einen bestimmten Aktienkurs den einfachen gleitenden Durchschnitt der letzten 10 Tage berechnen, so summiert man die Tagesendkurse der letzten 10 Tage und teilt danach das Ergebnis durch die Anzahl der Tage.

Kritiker des einfachen gleitenden Durchschnitts bemängeln, dass der Durchschnitt alle betrachteten Tage gleich stark gewichtet. Der erste Tag der Zeitreihe hat also den gleichen Einfluss auf den Durchschnitt wie der letzte Tag. Nach Meinung der Kritiker sollten aber die Tage, die zeitlich näher am aktuellen Kurs liegen, ein stärkeres Gewicht bei der Berechnung des Durchschnitts haben als die weiter entfernten Tage.

Hier kommt nun der gewichtete gleitende Durchschnitt ins Spiel. Der gewichtete gleitende Durchschnitt ordnet jedem Tag einen bestimmten Gewichtungsfaktor zu. Je näher ein Tag am aktuellen Kurs liegt, desto größer ist dieser Faktor. Dadurch werden die späteren Tage bei der Berechnung des Durchschnitts stärker gewichtet als die früheren Tage.

Berechnung des gewichteten gleitenden Durchschnitts


Bevor die eigentliche Berechnung des gewichteten gleitenden Durchschnitts beginnt, muss jedem einzelnen Tag ein Gewichtungsfaktor zugeordnet werden. Dazu werden einfach sämtliche Tage, die zur Berechnung des Durchschnitts verwendet werden, durchnummeriert. Dabei erhält der am weitesten zurückliegende Tag die Nummer 1, während der aktuelle Tag die höchste Nummer erhält. Die Tage werden also von hinten nach vorne durchnummeriert. Bei einem 10 Tage Durchschnitt erhält somit der am weitesten zurückliegende Tag die Nummer 1 und der aktuelle Tag die Nummer 10.

Im zweiten Schritt werden zuerst die Tagesschlusskurse der einzelnen Tage mit den ihnen zugeordneten Nummern multipliziert. Der am weitesten zurückliegende Tag wird also mit 1 multipliziert, der darauf folgende Tag wird mit 2 multipliziert usw.. Im Anschluss werden die einzelnen Werte aufsummiert.

Im dritten Schritt werden die vergebenen Nummern zusammengerechnet. Bei einem 10 Tage Durchschnitt werden also beispielsweise die Zahlen von 1 bis 10 zusammengerechnet.

Im letzten Schritt wird das Ergebnis aus dem zweiten Schritt durch das Ergebnis aus dem dritten Schritt geteilt, um so den gewichteten gleitenden Durchschnitt zu erhalten.

Beispiel für Berechnung


Die Berechnung des gewichteten gleitenden Durchschnitts soll nun mit Hilfe des Beispiels unten verdeutlicht werden. Auf der Abbildung unten sind die Kurse der einzelnen Tage auf der linken Seite in Form eines Kerzencharts abgebildet. Die Schlusskurse der einzelnen Tage sind in den fünf gelben Kästchen auf der linken Seite des Bildes angegeben.

Das Ziel im Beispiel ist es, für die letzte Kerze den gewichteten gleitenden Durchschnitt der letzten 5 Tage zu berechnen.

Berechnung gewichteter gleitender Durchschnitt

Schritt 1 | Jeder Schlusskurs erhält eine Nummer

Wie oben bereits erwähnt, erhält jeder Tag zur Berechnung des gewichteten gleitenden Durchschnitts eine Nummer. Der am weitesten vom aktuellen Kurs entfernte Tag erhält die Nummer 1, der folgende Tag erhält die Nummer 2, der aktuelle Tag erhält die höchste Nummer.

Da in unserem Beispiel der gewichtete Durchschnitt der letzten 5 Tage errechnet werden soll, erhält die erste Kerze also die Nummer 1, die letzte Kerze erhält die Nummer 5. Die einzelnen Nummern sind auf der Abbildung oben auf der rechten Seite zu sehen.

Schritt 2 | Multiplizieren der Schlusskurse mit den Gewichtungsfaktoren

Nun wird für jeden Tag der Schlusskurs mit der Nummer des Tages multipliziert. In unserem Beispiel hat der Schlusskurs der ersten Kerze einen Wert 104€. Dieser Wert wird nun mit 1 multipliziert. Der Schlusskurs der folgenden Kerze wird mit 2 multipliziert usw.. Sie finden die vollständige Berechnung der einzelnen Werte in der Abbildung oben.

Im Anschluss werden die errechneten Werte summiert. In unserem Beispiel ergibt sich eine Summe von

1521

Schritt 3 | Summieren der Gewichtungsfaktoren

Parallel dazu wird die Summe der Nummern gebildet. In unserem Beispiel beträgt diese Summe

1+2+3+4+5 = 15

Schritt 4 | Berechnung des gewichteten Durchschnitts

Nun wird die Summe aus Schritt 2 durch die Summe aus Schritt 3 geteilt.

1521 geteilt durch 15 ergibt 101,4

Der Wert für den gewichteten gleitenden Durchschnitt der letzten Kerze beträgt also

101,4

Der so errechnete Wert kann nun oberhalb des aktuellen Tages als Punkt in den Kurscharts eingezeichnet werden.

Einzeichnen der Durchschnittlinie

Kommt am Folgetag eine neue Kerze hinzu, wird ein neuer gewichtete gleitender Durchschnitt berechnet. Dabei werden erneut die Schlusskurse der letzten 5 Tage verwendet. Der letzte Kurs aus der letzten Berechnung fällt also aus der neue Berechnung heraus, während der Schlusskurs des neuen Tages hinzukommt. Auch dieser Durchschnitt wird als Punkt in den Chart eingetragen.

Für jeden neuen Tag wird also ein neuer Punkt in den Chart eingetragen. Werden die aufeinander folgenden Punkte verbunden, entsteht die Linie des gleitenden gewichteten Durchschnitts. Da wir in unserem Beispiel den Durchschnitt der letzten 5 Tage berechnet haben, wird diese Linie als 5 Tage Linie oder WMA 5 bezeichnet.

In unserem Chart rechts ist der Verlauf des gleitenden Durchschnitts als gelbe Linie eingezeichnet.

Die Linie des gleitenden Durchschnitts wird in der technischen Analyse zur Bestimmung des Trends und zum Erzeugen von Einstiegssignalen genutzt.

Kurzfristige und langfristige Durchschnitte


Die Anzahl der zur Berechnung verwendeten Schlusskurse hat einen großen Einfluss auf den Verlauf des gleitenden Durchschnitts. In unserem Beispiel oben haben wir mit dem 5 Tage Durchschnitt einen gleitenden gewichteten Durchschnitt gewählt, der aus den Kursen von sehr wenigen Tagen berechnet wird. Daraus resultierend reagiert der so berechnete Durchschnitt sehr stark auf Kursänderung des aktuellen Kurses. Schauen wir uns das Endergebnis in Schritt 2 an, so ist der letzte Tag für ein Drittel der berechneten Gesamtsumme (5/15) verantwortlich.

Im Vergleich dazu ist bei einem 10 Tage Durchschnitt der Einfluss des letzten Tages auf das Gesamtergebnis nicht mehr ganz so stark. Hier macht der zehnte Tag nur noch 22 Prozent (10/45) der Gesamtsumme aus. Je weniger Schlusskurse also zur Berechnung verwendet werden, desto stärker reagiert der gleitende Durchschnitt auf kurzfristige Kursänderung. Gleichzeitig verläuft die Linie des gleitenden Durchschnitts deutlich enger am Kurs und schwankt deutlich stärker als ein Durchschnitt, der aus mehr Schlusskursen berechnet wurde.

Ein Durchschnitt, der aus den Schlusskursen von wenigen Tagen berechnet wurde, wird daher als ein kurzfristiger Durchschnitt bezeichnet.

Ein Durchschnitt, der aus einer größeren Anzahl an Tagen berechnet wurde, reagiert deutlich weniger auf kurzfristige Kursänderungen und wir daher als langfristiger Durchschnitt bezeichnet.

Einsatz des gewichteten gleitenden Durchschnitts im Trading


Wie die meisten gleitenden Durchschnitte kann der gewichtete gleitende Durchschnitt genutzt werden, um den Trend zu bestimmen und um Signale zum Kauf- oder Verkauf zu liefern.

Trendanalyse

Soll der gewichtete gleitende Durchschnitt dazu genutzt werden, um den Trend des zugrunde liegenden Kurses zu ermitteln, kann nach zwei Verfahren vorgegangen werden:

  • Bei der ersten Variante wird die Steigung der Durchschnittslinie selbst betrachtet. Ein ansteigender Durchschnitt zeigt hierbei einen Aufwärtstrend an, ein fallender Durchschnitt zeigt einen Abwärtstrend an. Verläuft der gleitende Durchschnitt seitlich, befindet sich der Kurs in einem Seitwärtstrend.
  • Bei der zweiten Variante wird der gleitende Durchschnitt in Kombination mit dem Kurs betrachtet. Verläuft der Kurs oberhalb des Durchschnitts, befinden wir uns in einem Aufwärtstrend. Verläuft er unterhalb, befinden wir uns in einem Abwärtstrend.

Je nachdem, welcher Durchschnitt gewählt wird, kann eher der langfristige oder der kurzfristige Trend ermittelt werden. Ein 10 Tage Durchschnitt zeigt beispielsweise den kurzfristigen Trend an, während der 200 Tage Durchschnitt zur Bestimmung des langfristigen Trends verwendet wird.

Erzeugen von Einstiegssignalen

Der gewichtete gleitende Durchschnitt kann auch dazu genutzt werden, um Signale zum Einstieg und Ausstieg zu erzeugen. Auch hier gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Bei der ersten Methode wird nur ein gewichteter gleitender Durchschnitt betrachtet. Die Einstiegs- und Ausstiegssignale werden erzeugt, wenn der Durchschnitt den Kurs kreuzt. Ein Kaufsignal entsteht dabei, wenn die Linie des gleitenden Durchschnitts über den Kurs steigt. Ein Verkauf wird getätigt, wenn der Durchschnitt unter den Kurs fällt. Diese Methode wird gerade in Seitwärtsbewegungen zu vielen Fehlsignalen führen, da hier der Kurs stark hin und her schwankt und dadurch die Durchschnittslinie ständig in beide Richtungen durchschnitten wird.
  • Bei der zweiten Methode werden zwei oder mehr gleitende Durchschnitte zum Erzeugen von Handelssignalen verwendet. Hierbei können sowohl Durchschnitte mit unterschiedlichen Berechnungszeiträumen (bspw. ein 10 Tage Durchschnitt und ein 20 Tage Durchschnitt) als auch Durchschnitte, die nach unterschiedlichen Methoden berechnet wurden (bspw. ein einfacher gleitender Durchschnitt und ein gewichteter gleitender Durchschnitt), genutzt werden. Bei der Double Moving Average Crossover Methode werden Einstiegssignale erzeugt, wenn sich die Linien von zwei gleitenden Durchschnitten kreuzen. Die Triple Moving Average Crossover Methode nutzt drei gleitende Durchschnitte. Bei dieser Strategie wird immer dann eine neue Position aufgebaut, wenn die Linien der drei Durchschnitte in der richtigen Reihenfolge übereinander liegen.

Vergleich zwischen einfachem gleitender Durchschnitt und gewichtetem gleitendem Durchschnitt


Da der gewichtete Durchschnitt die späteren Tage stärker gewichtet als der einfache gleitende Durchschnitt, verläuft die Linie des gewichtete gleitenden Durchschnitts normalerweise näher am aktuellen Kurs als die Linie der einfachen gleitenden Durchschnitte.

Chart mit einfachem und gewichteten gleitenden Durchschnitt

Rechts sehen Sie einen Kerzenchart mit den beiden Durchschnitteslinien. Die blaue Linie zeigt den Verlauf des einfache gleitende Durchschnitts, die gelbe Linie ist der gewichtete gleitende Durchschnitt. Wie Sie sehen, verläuft die gelbe Linie die meiste Zeit über enger am Kurs als die Linie des einfachen gleitenden Durchschnitts.

Sollen die Linien zur Identifizierung von Trends genutzt werden, so setzt die Trendumkehr im gewichteten Durchschnitt meistens vor der Trendumkehr im einfachen gleitenden Durchschnitt ein.

Dadurch, dass die Durchschnittslinie näher am Kurs verläuft, durchbricht der Kurs nach einem Trendwechsel meistens zuerst die Linie des gewichteten gleitenden Durchschnitts und erst danach die Linie des einfachen gleitenden Durchschnitts.

Wenn solche Liniendurchbrüche zum Erzeugen von Handelssignalen genutzt werden, so werden Handelssignale also in der Regel zuerst im gewichteten gleitenden Durchschnitt und erst danach im einfachen gleitenden Durchschnitt ausgelöst.

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