Jesse Livermore | Leben und Trading Strategie

Es gibt wohl wenige Spekulanten, die so viele Hochs und Tiefs in ihrer Traderkarriere erlebt haben wie Jesse Livermore. Livermore spekulierte immer mit hohem Risiko. Das führte dazu, dass er mehrfach innerhalb kürzester Zeit ein Vermögen quasi aus dem Nichts erschaffen konnte. Aus dem selben Grund verlor er sein Geld aber auch ebenso schnell wieder und musste mehrfach in seinem Leben Insolvenz anmelden.

Inhalt


Leben

Strategie

Bücher von Jesse Livermore


Leben


Anfänge

Jesse Livermore begann als 14 Jähriger seine Karriere als Board Boy bei einem Börsenmakler. Seine Aufgabe war es, die neuen Kursnotierungen auf einer Kurstafel zu notieren. Während seiner Arbeit fiel ihm auf, dass die Kurse einem bestimmten Muster zu folgen schienen. Er begann seine Beobachtungen aufzuschreiben und fing an Prognosen über die künftigen Kursverläufe anzustellen. Als er bemerkte, dass er mit seinen Prognosen meistens richtig lag, begann er in sogenannten Bucket Shops auf Kursbewegungen zu spekulieren.

Bucket Shops

In einem Bucket Stop konnte ein Anleger auf ein Steigen oder Fallen einer Aktie setzen. In einem Bucket Shop wurden keine richtigen Aktien gehandelt, statt dessen wettete der Anleger quasi gegen den Shop. Wenn er eine solche Wette einging, musste er dazu einen kleinen Prozentsatz des Kurswertes als Margin hinterlegen. Fiel die Aktie unter diese Margin, behielt der Bucket Shop die Margin ein und der Anleger hatte seinen Einsatz verloren. Lief die Aktie hingegen in die richtige Richtung, musste ihm der Bucket Shop die Differenz zwischen Kaufkurs und Verkaufskurs auszahlen. Der Bucket Shop gewann also Geld, wenn der Anleger verlor und verlor Geld, wenn der Anleger richtig lag.

Die meisten Kunden verloren ihr Geld und die Betreiber der Bucket Shops konnten die wenigen Gewinner bequem mit den einbehaltenen Margins der Verlierer auszahlen. Livermore aber gewann beständig und begann mit immer höheren Einsätzen zu spekulieren. Da sie Livermore immer höhere Summen auszahlen mussten, wurde er für die Besitzer der Shops zu einer existenziellen Bedrohung. Schließlich weigerten sie sich von ihm weitere Order anzunehmen oder warfen ihn einfach aus ihren Shops.

New York

Livermore musste sich also ein neues Betätigungsfeld suchen und zog nach New York, wo er ein Konto bei einem Börsenmakler eröffnete. Hier musste er feststellen, dass seine bisherige Methode am richtigen Aktienmarkt nicht funktionierte.

Da in den Bucket Shops keine richtigen Aktien gehandelt wurden, konnte er dort zu den Kursen handeln, die an der Kurstafel angeschlagen waren. Gab er seine Order hingegen bei einem Börsenmakler auf, musste dieser die Aktie tatsächlich erst an der Börse kaufen. Zwischen Order und Kauf verging also einige Zeit, was dazu führte, dass Livermore nicht zu dem von ihm erwarteten Preis handeln konnte.

Ein noch gravierender Unterschied war, dass Livermore in den Bucket Shop immer nur eine genau festgelegte Menge an Geld verlieren konnte. Durchbrach der Kurs die Margin, verlor er nur den von ihm eingesetzten Geldbetrag. An der Börse hingegen war sein Verlust nicht nach unten begrenzt. Da er immer auf Kredit spekulierte, konnte er schnell zu erheblichen Nachzahlungen verpflichtet werden, wenn er nicht rechtzeitig aus einer Position herauskam.

Für Livermore, der bis jetzt eine Art von kurzfristigem Daytrading betrieben hatte, waren diese neuen Bedingungen Gift. Innerhalb seiner ersten drei Jahre an der New Yorker Börse ging er zweimal pleite.

Die erste Million

Nachdem er sich durch Trading in Bucket Shops wieder etwas Startkapital aufgebaut hatte, kehrte er an die Börse zurück.
Mittlerweile war er zu der Erkenntnis gekommen, dass er im Aktienhandel nur bestehen konnte, wenn er auf langfristige Trendbewegungen setzte, anstatt wie bisher aus seinen Positionen ständig ein- und auszusteigen.


Livermore spekulierte immer auf Kredit und immer mit hohem Einsatz. Daher gelang es ihm sein Vermögen schnell wieder zu vervielfältigen.

Er erkannte früh die ersten Anzeichen für die Baisse im Jahre 1907. Daher begann er in großem Stil Aktien leerzuverkaufen. Als der Kurseinbruch schließlich eintrat, hatte Livermore seine erste Millionen verdient.

Bankrott


Aber sein Glück sollte nicht allzu lange währen. Kurze Zeit später folgte er dem Rat eines angesehenen Rohstoffspekulanten und engagierte sich mit einer großen Summe am Markt für Baumwolle. Seine Spekulation ging fehl und er fand sich mit einer großen Position an Baumwolle Kontrakten auf der falschen Seite des Marktes wieder. Diesmal hatte er nicht nur sein ganzes Geld verloren, sondern er hatte auch noch Schulden bei mehreren Brokerhäusern angehäuft.


Eine Weile versuchte er auf Kredit weiter zu spekulieren. Doch er merkte, dass ihn die Schulden mental zu stark belasteten und er keine guten Entscheidungen mehr treffen konnte. Daher entschloss er sich Privatinsolvenz anzumelden.

Comeback


Diesmal dauerte sein Comeback etwas länger. Zu Beginn des ersten Weltkrieges kauften die europäischen Staaten große Mengen an Waren und Rohstoffen aus den Vereinigten Staaten. Livermore setzte daher auf steigende Aktien- und Rohstoffpreise und verdiente so sein nächstes Vermögen.

Obwohl er rechtlich dazu nicht verpflichtet war, zahlte er alle seine früheren Schulden zurück.

In den folgenden Jahren wurde Livermore zu einer der dominierenden Figur an der Wallstreet. Zu dieser Zeit hatten einzelne Trader deutlich mehr Einfluss auf das Börsengeschehen als heute. Auch Livermore gelang es manchmal die Kurse von Aktien oder Rohstoffen in die von ihm gewünschte Richtung zu drücken.

Der Crash von 1929

Im Jahre 1929 hatte Livermore wieder den richtigen Riecher. Vor dem Crash baute er eine große Shortposition auf. Nachdem er nach dem Kurseinbruch seine Position wieder geschlossen hatte, hatte er mehr als 100 Millionen Dollar verdient. Einige Zeitungen warfen ihm sogar vor, dass er für den Crash verantwortlich war, sodass er in den folgenden Jahren teilweise heftigen Anfeindungen ausgesetzt war.

Wie auch schon nach dem Crash von 1907 konnte sich Livermore seiner Gewinne allerdings nicht allzu lange erfreuen. Bereits im Jahre 1934 hatte er den Großteil seines Geldes wieder verloren und musste erneut Insolvenz anmelden.

Zwar gelang es ihm auch diesmal wieder seine Verbindlichkeiten nach einigen Jahren zurückzuzahlen, aber an seine alten Erfolge konnte er nicht mehr anknüpfen.


Am 28.11.1940 beendete Livermore, der während seines gesamten Erwachsenenlebens an Depressionen gelitten hatte, sein Leben, indem er sich mit einem Revolver erschoss.


Strategie


Livermore nutzte keine Charts. Er gab an Börsencharts und gleitende Durchschnitte würden ihn verwirren. Statt dessen notierte er die Kurse in einem von ihm entwickelten Tabellensystem, das heute als Livermore Market Key bekannt ist.

Auf den richtigen Moment warten


Die Strategie von Livermore bestand nicht darin eine Aktie besonders günstig zu kaufen. Statt dessen wartete er, bis die Aktie sich in die von ihm prognostizierte Richtung bewegte. Bevor er in eine Aktie einstieg, wartete er also auf eine Bestätigung von Seiten des Marktes. Dazu legte er einen Punkt fest, den die Aktie übersteigen musste, bevor er bereit war in die Aktie einzusteigen. Pendelte eine Aktie beispielsweise in einer Range, so wartete er, bis die Aktie nach oben aus dieser Range ausbrach, bevor er einen Kauf tätigte.

Pivot Punkt.


Diese Punkte, die die Aktie vor einem Einstieg erreichen musste, nannte er Pivot Punkte. (Diese Punkte haben – außer ihrem Namen – nichts mit den Pivot Punkten gemeinsam, die Sie in einigen Chartprogrammen finden.)


Neben den oben beschriebenen Rangeausbrüchen sah Livermore vor allem signifikante Hochs und Tiefs als erfolgversprechende Pivot Punkte an. Beispielsweise hatte er beobachtet, dass Kurse, nachdem sie zum ersten Mal eine glatte Zahl wie 100, 200 oder 300 durchbrochen hatten, oft zu einer bedeutende Rally ansetzten.

Ebenso behielt er langfristige Hoch- und Tiefpunkte als mögliche Einstiegspunkte im Auge.

Pyramiding


Entschied er sich für den Kauf einer Aktie, so stieg er in mehreren Teilschritten ein. Im ersten Schritt investierte er nur eine relativ kleine Menge. Stiegen die Kurse weiter an, baute er sukzessive seine Postion aus, bis er vollkommen investiert war.

Livermoore nutzte die einzelnen Orders auch um den Markt zu testen. Konnte sein Broker seine Order nur schwer und zu einem höheren Preis ausführen, so deutete dies auf einen starken Markt hin. Livermore wertete dies als gutes Zeichen und setzte sein Käufe fort. Konnte sein Broker hingegen ohne Probleme Verkäufer zum gebotenen Preis finden, deutete dies auf einen schwächeren Markt hin und Livermore hielt sich mit weiteren Käufen zurück.

Verlustbegrenzung


Aus seiner Zeit in den Bucket Shops war er es gewöhnt, dass seine Positionen nach 1,5 Prozent Verlust automatisch geschlossen wurden. Auch in seiner späteren Karriere machte er es sich zur Regel ein Position nach wenigen Punkten Verlust sofort zu schließen.

Bewegte sich der Kurs der Aktie danach wieder in die richtige Richtung, hatte er keine Probleme, wieder in die Aktie einzusteigen.

Dieses System der Verlustminimierung funktionierte aber nur solange seine Positionen nicht allzu groß waren. Einer der Gründe für Livermores teilweise heftige Verluste war, dass seine Positionen in seiner späteren Karriere so groß waren, dass er sie nicht abstoßen konnte, ohne eine massive Kursbewegung auszulösen.

Gewinne laufen lassen


Hatte sich der Kurs hingegen eine Weile in die richtige Richtung bewegt, war Livermore durchaus bereit kleinere Gegenbewegungen auszusitzen, solange der übergeordnete Trend bestand hatte.

Bücher von Jesse Livermore


Das zweite Buch scheint nur auf Englisch erhältlich zu sein.


Jesse Livermore. Das Spiel der Spiele

von Edwin Lefèvre

Biographie über die ersten Jahre von Jesse Livermore.

Lefèvres Buch erschien erstmals im Jahr 1923 und gilt als eines der meistgelesenen Börsenbücher überhaupt.

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How to Trade in Stocks (Englisch)

von Jesse Livermore und Richard Smitten

Das Buch ist in zwei Teile geteilt. Im ersten Teil beschreibt Livermore selbst das von ihm verwendete Trading System.

Im zweite Teil folgen weitere Ausführungen und Erläuterungen von Richard Smitten.

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