Die Turtle Trader und ihre Strategie

Die Turtle Trader waren eine Gruppe von Händlern, die nach der von Richard Dennis entwickelten Turtle Trading Strategie vorgingen. Die Turtle Trading Strategie gibt dem Trader vor, wann er in eine Position einsteigen muss, wann er aus dieser Position wieder aussteigen sollte und wie viel Geld er pro Trade riskieren darf.

Inhalt


Wer waren die Turtle Trader ?

Die Trading Strategie der Turtle Trader

Bücher von Turtle Tradern und über Turtle Trader


Wer waren die Turtle Trader ?


Die Idee

Bevor er die Turtle Trader ins Leben rief, hatte sich Richard Dennis schon als Parketthändler und Rohstofftrader einen Namen gemacht. Dennis war der Meinung, dass prinzipiell jeder Mensch das Trading erlernen könne und dass für den Tradingerfolg keine besonderen Fähigkeiten nötig wären. Sein langjähriger Geschäftspartner William Eckhardt hingegen war anderer Ansicht. Seiner Meinung nach war die Fähigkeit erfolgreich zu traden angeboren und konnte nicht erlernt werden.

Um Eckhardt von seinen Ansichten zu überzeugen, beschloss Dennis eine kleine Gruppe von zukünftigen Tradern in seiner Methode zu schulen und anschließend zu testen, ob diese Trader später erfolgreich an der Börse handeln konnten. Da er gerade in Asien eine Schildkrötenfarm besucht hatte, kündigte er an, dass er Trader so züchten werde, wie sie in Singapur Schildkröten (engl. Turtles ) züchten. Aus diesem Grund wurden seine Trader später als Turtle Trader bezeichnet.

Das Turtle Trader Programm

Dennis schaltete in mehreren amerikanischen Zeitungen Inserate, in denen er nach Freiwilligen für sein Programm suchte. Da Dennis zu dieser Zeit bereits einer der bekanntesten Börsenspekulanten war, meldeten sich mehr als 1000 Interessenten.

Aus diesen 1000 Bewerbern wählte Dennis insgesamt 23 Freiwillige aus, die er in den Jahren 1983 und 1984 zu Tradern ausbildete. Die zukünftigen Tradern wurde zuerst in einem zweiwöchigen Kurs in die Turtle Trading Regel eingewiesen. Dann durften sie, zuerst nur mit einem kleinen Trading Konto ausgestattet, anfangen zu handeln.

Wenn sich zeigte, dass sie die Regeln erfolgreich anwenden konnten, wurde ihr Trading Konto schrittweise erhöht. Konnten sie sich hingegen nicht an die Regel halten, mussten sie das Programm verlassen.

Diejenigen die die Regel langfristig befolgten, konnten mit dem Turtle Trading System überaus respektable Ergebnisse erzielen. In den folgenden vier Jahren erzielten die Programmteilnehmer einen durchschnittlichen Jahresertrag von 80 Prozent.

Die Trading Strategie der Turtle Trader


Im Folgenden finden Sie einen kurzen Überblick über die Regel der Turtle Trading Strategie.

Einstiegssignale


Zum Erzeugen von Einstiegssignalen wurden von den Turtle Tradern Donchian Kanäle eingesetzt. Bei einem Donchian Kanal zeigt die obere Linie den höchsten Kurs der vergangenen x Tage. Die untere Linie des Kanals zeigt den tiefsten Punkt der letzten Tage an.

Die Turtle Trader nutzten zwei verschiedene Handelssysteme mit Donchian Kanälen. Die einzelnen Trader konnten am Anfang wählen, ob sie mit beiden Systemen arbeiten wollten oder nur nach einem der beiden Systeme handeln wollten. Hatten sie sich aber einmal festgelegt, mussten sie sämtliche von den Systemen erzeugte Signale handeln. Es durften also nicht willkürlich Signale übersprungen werden.

System 2

Das als System 2 bezeichnete Handelssystem war das einfachere der beiden Systeme und wird deswegen hier als Erstes erklärt.

Das System nutzte den 55 Tage Donchian Kanal zum Einsteig. Die obere Linie des 55 Tage Donchian Kanals zeigt in diesem Fall also den höchsten Kurs der vergangenen 55 Tage. Die untere Linie zeigt den tiefsten Kurs der vergangenen 55 Tage. Ein Kaufsignal (Long Signal) entsteht, wenn sich der Kurs über die obere Linie des Donchian Kanals bewegt. Ein Verkaufssignal (Short Signal) entsteht, wenn der Kurs unter die untere Linie fällt.

Um den Zeitpunkt des Ausstiegs festzulegen, wurde ein 20 Tage Donchian Kanal betrachtet. Im Falle einer Long Position wurde die Position verkauft, wenn der Kurs unter die untere 20 Tage Donchian Linie fiel. Im Falle einer Short Position wurde die Position geschlossen, wenn der Kurs die obere Linie durchbrach.

Turtle Trader Chart System 2

Im Chart rechts sehen Sie ein Beispiel für einen Long Trade.

Durch die gelbe Linie wird der Verlauf des 55 Tage Donchian Kanals angezeigt.

Die blaue Linie ist die untere Linie des 20 Tage Donchian Kanals.

Der grüne Pfeil markiert den Punkt, an dem der Kurs den 55 Tage Donchian Kanal von unten durchbricht. An diesem Punkt würde also ein Kauf getätigt werden.

Beim roten Pfeil fällt der Kurs unter die 20 Tage Donchian Linie. An diesem Punkt würde die Position wieder verkauft werden.

System 1.

Das System 1. nutzte statt des 55 Tage Donchian Kanals einen 20 Tage Donchian Kanal. Auch hier wurde eine Long Position aufgebaut, wenn der Kurs über die obere Donchian Linie stieg und eine Short Position aufgebaut, wenn der Kurs unter die untere Donchian Linie fiel.

Als zusätzliche Regel wurde nun aber festgelegt, dass ein Signal nur dann gehandelt werden durfte, wenn der Donchiandurchbruch vor dem aktuellen Durchbruch nicht zu einen Gewinntrade geführt hätte. Dabei war es unwichtig, ob das vorherige Signal tatsächlich gehandelt worden war oder nicht. Ebenso war es irrelevant, ob der vorherige Durchbruch in die gleiche Richtung wie der aktuelle Durchbruch erfolgt war oder in die Gegenrichtung.

Auch beim System 1 wurde zum Ausstieg ein anderer Donchian Kanal verwendet als beim Einstieg. In diesem Fall wurde der 10 Tage Donchian Kanal betrachtet. Die bestehende Position wurde also geschlossen, sobald der Kurs den 10 Tage Donchian Kanal entgegen der ursprünglichen Ausbruchsrichtung durchbrach.

Berechnung des N- Faktors


Bevor mit dem eigentlichen Trading begonnen werden konnte, wurde für jeden der beobachteten Werte der sogenannte N Faktor berechnet. Dieser Faktor war essentiell für das Handelssystem der Turtles und wurde sowohl dazu verwendet, um die Größe der Position zu bestimmen, als auch um die Einstiegskurse und Stoppkurse festzulegen.

Der N Faktor misst die Volatilität oder Schwankungsbreite des untersuchten Wertes.

Einige Märkte sind deutlich stärkeren Tagesschwankungen ausgesetzt als andere Märkte. Beispielsweise bewegt sich der Wert einer Staatsanleihe oft nur um einige Zehntelprozente pro Tag, ein Erdöl Kontrakt kann dagegen im selben Zeitraum um einige Prozente schwanken. Daher macht es wenig Sinn, einen einheitlichen Stoppkurs für die beiden Werte festzulegen. Ein Stopp von 2 Prozent unterhalb des Einstiegskurs wäre im Falle der Staatsanleihe viel zu weit, während er im Falle des Erdölkontrakts bei jeder kleineren Gegenbewegung gerissen werden würde. Ein Stopp, der sich an der durchschnittlichen Schwankungsbreite des Marktes orientiert, könnte hingegen bei der Staatsanleihe sehr eng gesetzt werden, während er dem Erdöl Kontrakt mehr Raum zur Bewegung gibt.

Der Faktor N misst die durchschnittliche Handelsspanne oder Average True Range der letzten 20 Tage. Zur Berechnung der True Range werden der Tageshöchstkurs, der Tagestiefstkurs und der Schlusskurs des Vortages betrachtet.

  • Liegt der Schlusskurs des Vortages zwischen dem Höchstkurs und dem Tiefstkurs des folgenden Tages, so ist die True Range die Differenz zwischen Höchstkurs und Tiefstkurs.
  • Liegt der vorherige Schlusskurs hingegen oberhalb des folgenden Höchstkurses oder unterhalb des neuen Tiefstkurses, so ist die True Range die Differenz zwischen vorherigem Schlusskurs und dem am weitesten vom Schlusskurs entfernten Kurs.

Zur Berechnung des Faktors N werden zuerst die True Ranges der letzten 20 Tage berechnet. Dann wird der N Faktor berechnet, indem die True Ranges zuerst zusammengerechnet werden und dann dass Ergebnis durch 20 geteilt wird.

Formel N Faktor

Mehr über die Berechnung der Average True Range erfahren Sie in unserem Artikel zur Average True Range.


Bestimmen der Positionsgröße


Vor dem Einstieg muss festgelegt werden, wie groß die Position sein soll, mit der in den Trade eingestiegen werden soll.

Die Turtles investierten pro Trade jeweils zwei Units. Eine Unit entsprach dabei jeweils einem Prozent des gesamten Tradingkapitals. Um zu berechnen, wie viele Einheiten von einem Wert gekauft werden sollten, teilten die Trader dieses eine Prozent des Tradingkapitals durch denn Faktor N.

Bei einem Tradingkapital von 100.000€ und einem Faktor N von 2 würden also 500 Einheiten gekauft werden.

Beispiel Positionsgröße

Exkurs


Da die Turtle Trader mit Futures handelten, mussten sie noch einen weiteren Zwischenschritt berechnen.

Zwar zeigt der Kurs eines Futures den Wert einer Einheit an, allerdings werden beim Kauf eines Future Kontrakts nicht eine Einheit sondern immer gleich mehrere Einheiten auf einmal gekauft. Beispielsweise zeigt der Kurs eines Weizen Future den Wert eines Bushel Weizen an, der eigentliche Future läuft aber über 5000 Bushel Weizen. Wenn der Weizenkurs um ein Cent (oder Punkt) fällt, fällt der Wert des Weizen Kontrakt daher nicht um 1 Cent sondern um 50 Dollar. Dieser Umstand musste bei der Berechnung berücksichtigt werden. Um zu ermitteln, wie viele Future Kontrakte gekauft werden sollen, wurde daher die unten stehende Formel genutzt.


Einstieg in eine Position


Wie schon oben erwähnt, haben die Turtle Trader eine neue Position nach einem Bruch des Donchian Kanals eröffnet. Allerdings wurden die beiden zu investierenden Units nicht auf einen Schlag investiert. Statt dessen wurden die Units in vier Tranchen aufgeteilt und dann nacheinander investiert.

Turtle Trading Chart Einstiege

Eine halbe Unit wurde direkt investiert, nachdem der Donchian Kanal durchbrochen wurde. Im nebenstehenden Cahrt ist dies durch den schwarzen Pfeil markiert.

Die zweite Hälfte wurde angelegt, nachdem sich der Kurs um ein halbes N in Richtung des Ausbruchs bewegt hatte.

Die nächste halbe Unit wurde investiert, nachdem der Kurs um ein weiteres halbes N in Ausbruchsrichtung gewandert war.

Die letzte Hälfte wurde schließlich investiert, sobald sich der Kurs um das eineinhalbfache des N Wertes in die Ausbruchsrichtung bewegt hatte.

Setzen von Stoppkursen


Die eingegangenen Positionen wurden von Anfang an mit einem Stoppkurs abgesichert.

Der erste Stoppkurs wurde nach dem ersten Einstieg gesetzt. Dieser Stopp befand sich um den zweifachen N- Wert unterhalb (Long Trade) oder oberhalb (Short Trade) des Donchiandurchbruchs.

Turtle Trader Strategie Chart Ausstiege

Wurde die zweite Hälfte der Unit investiert, wurde der neue Stoppkurs um 2 N unter dem neuen Einstiegskurs platziert. Der neue Stoppkurs galt dabei für beide Hälften.

Kam einen neue Halbunit hinzu, wurde der Stoppkurs erneut um ½ N verschoben. Der aktuelle Stoppkurs hatte also immer einen Abstand von 2 N zum letzten Einstiegskurs.

In dem nebenstehenden Chart zeigt die untere orangene Linie den ersten Stoppkurs.

Die rote Linie zeigt, wie der Stoppkurs schrittweise nach oben verschoben wird.

Abschließende Bemerkungen


Die beiden Donchian Handelssysteme erzielen zwar in in Märkten mit starken Trendbewegungen gute Gewinne, allerdings werden in Seitwärtsphasen viele Fehlsignale ausgelöst. In Seitwärtsbewegungen wird also häufig in eine Position eingestiegen, die kurz danach wieder mit einem Verlust geschlossen werden muss.

Gerade beim System 1, dass einen sehr engen Donchian Kanal nutzt, wird es in längeren Seitwärtsphasen oft zu einer Aneinanderreihung von Fehlsignalen kommen. Die Turtle Trader Systeme leben von einigen wenigen großen Gewinntrades, die die vielen kleinen Verlusttrades wieder wettmachen. Bleiben in einem Jahr diese Gewinntrades aus, wird das Jahr mit Verlusten abgeschlossen.

Auch Richard Dennis selbst musste nach seinen Turtle Trader Jahre teilweise heftige Verluste einstecken. Er musste zweimal, in den Jahren 1988 und 2000, seine Fonds schließen, weil er hohe Verluste gemacht hatte und ihm die Anleger wegliefen.

Die Turtle Trader Strategie ist also nicht ohne Risiken. Ebenso verlangt sie vom Trader enorm viel Selbstdisziplin. Während des Turtle Trader Programms gelang es vielen Teilnehmern nicht, sich an die ihnen gegebenen Regeln zu halten. Statt dessen ließen sie Trades aus oder beendeten Trades zu früh um kleinere Gewinne mitzunehmen.

Das ist allerdings das Problem bei vielen mechanischen Handelssystemen. In vielen Fällen ist der Trader sein größter Feind.

Bücher von Turtle Tradern und über Turtle Trader


Die Strategien der Turtle Trader

von Curtis M. Faith

Curtis Faith war einer der von Richard Dennis ausgebildeten Turtle Trader.

In diesem Buch befasst sich der Autor nicht nur mit dem Turtle Trading System, sondern er betrachtet auch verschiedene andere langfristige Trendfolge Strategien.

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Turtle-Trading

Michael Covel

Covel beschreibt in seinem Buch über das Turtle Trading Programm, wie aus unerfahrenen Börsenneulingen erfahrene Trader wurden.

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